Zertreten Erschlagen Erstochen - Broschüre zu Todesopfern rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt

Die Grünen-Landtagsfraktion erinnert dieser Tage mit einer Broschüre an das Schicksal von Menschen, die ihr Leben lassen mussten, weil sie nicht in das Weltbild neonazistischer Schläger passten. "Die Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN im Landtag von Sachsen-Anhalt setzt sich dafür ein, dass die Todesopfer rechter Gewalt als solche benannt werden. Auch in der amtlichen Statistik. Nur Ehrlichkeit und die Bereitschaft, die (häufig tödliche) Dimension rechter Gewalt in Gänze zu erfassen, kann helfen, wirksam gegen die menschenfeindliche Ideologie von Neonazis vorzugehen", heißt es in der Broschüre.

Ob zertreten, erschlagen oder erstochen, seit 1990 kamen in der Bundesrepublik mindestens 180 Menschen durch rechte Gewalt ums Leben. Allein 13 von ihnen starben in Sachsen-Anhalt. Ihre Schicksale werden in der Broschüre "Zertreten Erschlagen Erstochen" dargestellt. Drei dieser Todesfälle geschahen auf dem Gebiet des heutigen Saalekreis.

Auszüge aus der Broschüre:

Matthias Lüders (Obhausen) - überfallen am 24.04.1993, gestorben am 26.04.1993

Es dauert nur fünf Minuten, bis etwa 40 bis 50 rechte Skinheads am 24. April 1993 das Mobiliar einer Diskothek in Obhausen (Saalekreis) völlig zerstören und drei Gäste schwer verletzen, darunter den Wehrpflichtigen Matthias Lüders. (...) Ein 20-jähriger Skinhead versetzt dem 23-Jährigen zwei Schläge auf den Kopf – mit einem Baseballschläger. Der junge Mann stirbt zwei Tage später an den schweren Verletzungen. (...) Fast 20 Jahre später wird Matthias Lüders von der Landesregierung Sachsen-Anhalt als ein Todesopfer rechter Gewalt offiziell anerkannt.

Hans Werner Gärtner (Löbejün) - gestorben am 08.10.1999

»Den bringen wir um, der ist nicht lebensfähig« – so urteilt einer von drei Mördern über ihr Opfer Hans-Werner Gärtner. Im rechten Weltbild der Täter ist Gärtners Leben »minderwertig«, denn der 37-Jährige ist seit einer Hirnhautentzündung geistig behindert. (...) Seine Behinderung macht Hans-Werner Gärtner für drei junge Männer in seiner Heimatstadt Löbejün (Saalekreis) immer wieder zum Ziel von Misshandlungen und Beleidigungen. Schließlich wehrt sich Gärtner und stellt Anzeige gegen die Männer. In der Nacht zum 8. Oktober 1999 treffen die Täter ihr Opfer zufällig an einer Tankstelle. Sie wollen ihm »eine Lektion« erteilen. Über Stunden schlagen sie ihr Opfer, zwingen ihn in einen Gulli, versuchen ihn in einem See zu ertränken. Am Ende lassen sie den schwerverletzten Gärtner auf einem Feldweg zurück. (...) Erst in 2012 bestätigt die Landesregierung die vielen eindeutigen Anhaltspunkte und erkennt Hans-Werner Gärtner als Opfer rechter Gewalt an.

Willi Worg (Milzau) - gestorben am 25.03.2001

Willi Worg ist ein Opfer rechter Gewalt, das es laut Landesstatistik nie gegeben hat. Dabei wurde der 38-Jährige am 25. März 2001 in Milzau (Saalekreis) von fünf Nazis regelrecht zertreten. (...) Das Landgericht Halle sah damals einen Zusammenhang zwischen der brutalen Gewalt und der rechten Gesinnung der Schläger: »Erst in der Gruppe, die die Gewalt und die Morde der Altvorderen verherrlicht, bekamen sie die Einstellung, eine solch furchtbare Sache zu machen«, sagte die Richterin. Also eine Tat mit politischem Hintergrund, die in die Landesstatistik gehört. Dennoch ist sie dort vergeblich zu suchen. Die Behörden werteten die Tat als unpolitische »Rache«, weil das Opfer einige Monate zuvor einen der Täter wegen eines Verkehrsdelikts angezeigt hatte. (...) Trotz der polizeilichen Erkenntnisse, dass die Täter aus der rechten Szene kommen, trotz der damaligen Einschätzung von Kammer, Richterin und Landesinnenminister, sieht die heutige Landesregierung nach der erneuten Überprüfung des Falls weiterhin die Kriterien für eine Einstufung als politisch motivierte Tat nicht erfüllt. Der damals 19-jährige Haupttäter ließ sich noch in der Untersuchungshaft ein Hakenkreuz auf den Bauch tätowieren.

Die Meldung der Grünen-Fraktion finden Sie hier (Link). Die gesamte Broschüre steht hier zum Download (PDF) bereit.

 
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